Der Valentinstag interessiert mich eigentlich nicht besonders, aber trotzdem ist er wohl der Anlass für mich, diesen Beitrag zu schreiben. Denn als ich mich durch Rezepte für Herzkekse und ebensolche DIY-Tipps klickte, dachte ich darüber nach, was ich am Valentinstag verschenken würde und es ist wohl nicht die Frage, ob ich ein Buch verschenke, sondern eher welches. Ich habe dann meine Regale durchforstet und endete mit einem riesengroßen Bücherstapel, den ich euch unmöglich komplett vorstellen kann, aber wer nach Büchern über die Liebe sucht, darf sich nicht wundern, wenn er fündig wird. Beziehungen, ganz gleich welcher Art, sind schließlich immer schon ein Grundthema der Literatur gewesen und so richtig in Gang kommt die Erzählung meist erst dann, wenn es zwischenmenschliche Widrigkeiten zu überwinden gilt – und wo wären die spannender als zwischen Liebenden?
Nachdem ich die ganzen Klassiker wieder aussortiert hatte – denn Shakespeare, Flaubert oder Tolstoi muss ich euch hier nicht empfehlen – habe ich nochmal eine strenge Auswahl getroffen und stelle euch nun insgesamt sechs Bücher vor, die sicher nicht ausschließlich von der Liebe handeln, die aber doch stets darum kreisen. Dabei ging es mir nicht um die Suche nach dem eindrucksvollsten Schmachtfetzen, sondern um Geschichten, die so schön, so tieftraurig, so wahr oder auch so unmöglich sind, dass man als Leser/in einfach mitfiebert und sich am Schluss kaum trennen mag.
Eine himmlische Ménage-à-trois
Ich beginne mit einem absoluten Favoriten: Das Buch habe ich schon oft verschenkt und empfohlen und anschließend noch keine/n gesprochen, der oder die nicht hin und weg gewesen wäre. Die Rede ist von Harry Mulischs Roman „Die Entdeckung des Himmels“ (1992), in dem die zwei besten Freunde, Max Delius und Onno Quist, sich in die Cellistin Ada Brons verlieben. Auch Ada fühlt sich zu beiden Männern hingezogen, die zwar sehr verschieden, aber jeder auf seine Weise äußerst faszinierend sind. Zunächst beginnt Ada eine Beziehung mit dem Astronomen Max, doch heiraten wird sie Sprachgenie Onno. Der Roman ist so voll von Gedankenspielen und Ideen, dass es wesentlich zu kurz gegriffen wäre, „Die Entdeckung des Himmels“ auf die Dreicksbeziehung zwischen Max, Onno und Ada zu reduzieren, denn die Protagonisten lieben nicht nur einander, sondern betreiben auch ihre Berufe und Berufungen mit echter Leidenschaft. Sie brennen für Kunst, Kultur und Wissenschaft und insbesondere in den Gesprächen zwischen Max und Onno fliegen ständig die Funken, weil kaum schnell genug zum Ausdruck gebracht werden kann, wofür beide sich begeistern. Dennoch: Die außergewöhnliche Liebesgeschichte, die Mulisch hier erzählt, ist der Mittelpunkt des Geschehens, da während eines gemeinsamen Urlaubs ein Kind gezeugt wird, das in jeder nur denkbaren Bedeutung des Wortes außergewöhnlich ist, sodass ich hier mit keinem Wort vorweg nehmen möchte, was man einfach selbst lesen und bestaunen muss.
Schuld und Unschuld
Ein weiterer Roman, den ich mehr als einmal zur Hand genommen habe, stammt von dem spanischen Schriftsteller Javier Marías und trägt den Titel „Mein Herz so weiß“ (1992), der selbst schon ein Zitat aus Shakespeares „Macbeth“ ist: „Meine Hände sind blutig, wie die deinen; doch ich schäme mich, daß mein Herz so weiß ist.“ Dieser Satz, über den man lange nachdenken kann, stammt von Lady Macbeth und steht dem Roman von Marías als Zitat voran. So wird schon ganz zu Anfang klar, dass es mit dem sprachlichen Bild der blutigen Hände um die Frage nach Schuld und Unschuld geht und auch darum, wer sich tatsächlich die Hände schmutzig gemacht hat. Ist nur derjenige schuld, der die Waffe führt, oder auch diejenige, die mit ihren Gedanken und Worten die Tat herbeigeflüstert hat?
Nachdem der Roman sich also schon vor einem so gewaltigen literarischen Hintergrund positioniert, darf man einiges erwarten und wird von Beginn an nicht enttäuscht: Eine junge Frau, die gerade von ihrer Hochzeitsreise zurückgekehrt ist, betritt ein Badezimmer und schießt sich mit der Pistole ihres Vaters mitten ins Herz. Im Esszimmer werden Teile der Familie unfreiwillig zu Zeugen des Geschehens, doch jede Hilfe kommt zu spät. Obwohl also vollkommen klar ist, was geschehen ist, bleibt die Frage nach dem Warum ein großes Rätsel, das auch den Ehemann der Verstorbenen, Ranz, der jetzt bereits zum zweiten Mal Witwer geworden ist, ein Leben lang begleiten wird. All die ungelösten Fragen werden sogar weiter gegeben an die nächste Generation, denn Ranz‘ Sohn Juan, von Beruf Dolmetscher, ist ebenfalls frisch verheiratet, geht gemeinsam mit seiner Frau Luisa auf Hochzeitsreise und hört plötzlich den Ruf einer anderen Frau, der ihn zum Nachdenken bringt. „Mein Herz so weiß“ ist kein Liebesroman im klassischen Sinne, aber es ist eine brillante Geschichte über die Frage nach dem Was-wäre-wenn und nach dem Stoff, aus dem Liebesgeschichten eigentlich sind. Egal ob sich das Vokabular der Liebe aus Raunen, Flüstern, geteilten Geheimnissen und Versprechungen zusammensetzt, so sind doch Worte (oder die bewusste Vermeidung des In-Worte-Fassens) die Grundlage dessen, was wir Liebe nennen und was wir bannen, binden und beschwören, indem wir zu einem anderen Ja sagen – egal wer dabei noch zugegen ist und ob daraus Konsequenzen folgen.
Überfall und Ende einer großen Liebe
Das dritte Buch, das hier nicht fehlen darf, ist zutiefst traurig, aber auch so schön und so besonders, wie ich nur wenige Bücher kenne. Es stammt von der niederländischen Schriftstellerin Connie Palmen und trägt den Titel: „I.M. Ischa Meijer, In Margine, In Memoriam“. Am ehesten lässt es sich womöglich als literarisches Protokoll einer Liebesgeschichte bezeichnen, die so intensiv ist und so plötzlich endet, dass man nicht nur einmal gewaltig schlucken muss. Vier Jahre hat die Beziehung zwischen der Schriftstellerin Palmen und dem Journalisten Meijer nur gedauert, da dieser 1995 überraschend an einem Herzinfarkt stirbt. Palmens Buch ist eine Auseinandersetzung mit ihren Erinnerungen an das Entstehen einer Liebe, die manchmal fast zu groß zu sein scheint, und die nichts gemein hat mit Idealen von trauter Zweisamkeit. Es treffen hier zwei Menschen aufeinander, die auch weiterhin mit sich herumtragen, wer sie immer schon gewesen sind und die sich – vielleicht gerade deswegen – so sehr nach dem anderen sehnen. Palmen und Meijer reisen nach New York und lassen die Stadt kaum ein in ihr Hotelzimmer, in dem sie sich lieben, essen, trinken und lesen, lesen, lesen, um mit dem anderen zu teilen, was sie denken, und sich im Anschluss wieder zu lieben. Sicher ließe sich das schnell als eine Form von Intellektuellen-Kitsch abtun, aber – mein Gott – wer will schon Liebe ganz ohne Pathos? Als Meijer dann unerwartet stirbt, ringt auch Palmen um ihr Leben und „I.M“ ist das Zeugnis ihres Zurückfindens in ein Dasein, in dem die große Liebeserfahrung zwar vorbei ist, das Leben aber noch nicht enden darf.
Vielleicht war ja bereits unter diesen drei Büchern eins dabei, das euch interessiert? Oder kennt ihr die Titel alle bereits und habt andere Tipps für mich? So oder so: Morgen geht es mit den nächsten drei Büchern weiter, ich muss nur noch mit mir ringen, welche das sein werden. Schaut gerne wieder vorbei!
Eure Simone
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