Stephan Martin Meyer und Thorwald Spangenberg erzählen in „Leonardos Flugmaschinen“ spannend und informativ vom Genie da Vincis
(Werbung, da Rezensionsexemplar)
Vor Kurzem kam mein großer Sohn ganz aufgeregt aus der Schule: ein Freund aus seiner Klasse hatte nämlich ein Buch dabei, dass er, so meinte er mit Nachdruck, unbedingt auch bräuchte, denn sie hatten es den ganzen Tag immer wieder zusammen angeschaut und waren begeistert. Tatsächlich handelte es sich dabei keineswegs um ein Kinder- oder Jugendbuch, sondern um einen Dachbodenfund und zwar um den eines Bildbandes mit den Erfindungen und Zeichnungen von Maschinen Leonardo da Vincis. Ich suchte antiquarisch nach dem Buch, wurde aber nicht fündig, und stieß dann zufällig auf den Seiten des Gerstenberg Verlags auf eine vielversprechende Neuerscheinung: „Leonardos Flugmaschinen. Anselmo und das Vermächtnis des Meisters“ von Stephan Martin Mayer und Thorwald Spangenberg. Leonardo da Vincis Erfindergeist, seine großartigen Skizzen und der alte Traum vom Fliegen verpackt in einer Erzählung für wissbegierige Kinder – das hörte sich für uns genau richtig an und so haben der große Sohn und ich uns wieder aufs Sofa verfrachtet und gemeinsame Sache gemacht.
Die Handlung des ca. achtzig Seiten langen und reich illustrierten Buches setzt ein, als Leonardo da Vinci bereits zwanzig Jahre tot ist: Es ist das Jahr 1539 und wir befinden uns im italienischen Umbrien. Held der Geschichte ist also nicht direkt der große Meister, sondern ein Junge, der sich auf Wanderschaft befindet, wobei die Gründe für seine Reise nicht trauriger sein könnten. Der Name des Jungen ist Anselmo und er durchquert die Gegend, um zu einem Kapuzinerkloster zu gelangen, in dem sein Onkel Giovanni lebt. Diesen möchte Anselmo nicht einfach nur besuchen, sondern fortan wird das Kloster seine neue Heimat sein, da seine gesamte Familie – bis auf Onkel Giovanni – von der Pest dahingerafft wurde. Anselmo ist verständlicherweise traurig und wütend zugleich und muss sich erst langsam an die neue Lebenssituation bei den Mönchen gewöhnen, die sich noch dazu einem Leben in Armut verschrieben haben.
Leben zu Leonardos Zeiten
Das ist der Beginn von Anselmos und Giovannis gemeinsamer Geschichte und sofort gibt es auf unserem Sofa regen Gesprächsbedarf, denn schwere Schicksalsschläge sind natürlich immer ein Grund, um ein Thema genauer zu besprechen, Fragen zu beantworten und beim Sohn aufkommende Sorgen so gut wie möglich aus dem Weg zu räumen. Wir sprechen also über die Pest, über Krankheiten und Seuchen im Allgemeinen und landen schließlich beim Penicillin und beschließen, dass wir da morgen noch das ein oder andere nachschlagen sollten. Natürlich ist Anselmos Schicksal sehr hart und der Einstieg in die Geschichte durchaus nicht heiter, aber um ein Gespür für die Lebensumstände des 16. Jahrhunderts zu bekommen, sind solche Fakten unvermeidlich und ich halte die Auseinandersetzung mit ernsten Themen anhand von Büchern und mit viel Zeit für Nachfragen auch für keineswegs verkehrt. Zudem ist auch das Buch selbst so aufgebaut, dass es nicht an Hintergrundinformationen mangelt: Da wird nicht einfach nur von den Kapuzinern erzählt, sondern die Geschichte des Ordens erfährt eine kurze – und sehr gut verständliche – Rekapitulation und auch der Tagesablauf der Mönche wird beispielhaft vorgeführt.
Ein Gutteil des Tagesprogramms besteht für die Mönche aus Arbeit mit ihren Händen, an die auch Anselmo bald herangeführt wird. So richtig in Gang kommt das Geschehen dann aber, als Anselmo davon erfährt, was für ein Schatz sich in Giovannis Besitz befindet: Es handelt sich um eine ganze Kiste voller Zeichnungen Leonardo da Vincis, die der Meister Giovanni kurz vor seinem Tod vermacht hat. Die beiden Männer waren sich in Frankreich begegnet und da Giovanni einst das Handwerk des Schreiners gelernt hatte, erschien er Leonardo als genau der richtige Hüter seiner Aufzeichnungen, denn er war in der Lage zu verstehen, wie die gezeichneten Konstruktionen womöglich zu funktionierenden Maschinen werden könnten. Anselmo ist sich ebenfalls sofort darüber im Klaren, wie wertvoll die Papiere sind, die sein Onkel aufbewahrt, denn der Junge teilt eine gemeinsame Leidenschaft mit Leonardo: Auch er ist fasziniert von Vögeln und ihren Flugkünsten und trägt stets ein kleines Skizzenbuch bei sich, um den Vogelflug zu studieren und festhalten zu können, was er sieht.
Gemeinsam begeben sich Giovanni und Anselmo auf die Spuren da Vincis und wollen in die Tat umsetzen, was Leonardo auf dem Papier hinterlassen hat. Dass es dabei zu unerwarteten Schwierigkeiten kommt, die schlussendlich sogar zu einer ernsthaften Bedrohung für die beiden werden, steigert die Spannung und das Lesevergnügen zusätzlich. Den Autoren von „Leonardos Flugmaschinen“ gelingt nämlich Folgendes: Sie verbinden Neugier und Entdeckergeist mit einer spannend erzählten Geschichte und passend eingesetzten Illustrationen, die die Vorstellungskraft unterstützen und dabei die Machart von Leonardos Maschinen zu zeigen vermögen. Die historische Person da Vincis und sein besonderes Genie werden somit in eine lesenswerte Erzählung eingebunden, die zusätzlich noch einiges Hintergrundwissen über das präsentierte Lebensumfeld bereithält. Einzig das Ende der Geschichte kommt ziemlich plötzlich, nachdem zuvor über viele Seiten Spannung aufgebaut wurde, die dann in einem jähen Ende mündet. Ebenfalls überzeugend sind die zusätzlichen Infos zur Geschichte und Entstehung des Buches, die sich im Anhang befinden. Unser Fazit ist daher, dass die Lektüre sich für alle bau- und flugbegeisterten Leser/innen absolut lohnt, denn die Faszination der Idee des Fliegens ist nach wie vor ungebrochen und der Berufswunsch des Erfinders sicher nicht nur bei meinem Sohn vorhanden.
Stephan Martin Meyer und Thorwald Spangenberg: Leonardos Flugmaschinen. Anselmo und das Vermächtnis des Meisters.
Gerstenberg Verlag 2019.
ISBN: 978-3-8369-5656-7.
Preis: 20,00.
Hier findet Ihr den Link zum Buch im Gerstenberg Verlag.