Geburt braucht geschützte Räume, Geburt braucht Zeit und ganz besonders braucht es Frauen und Männer, die die Gebärende in dem unterstützen, was sie selbst sich für die Geburt ihres Kindes wünscht. Dass die Geburt meines ersten Kindes alles andere als schön war, das durfte ich kürzlich in einem Gastartikel auf stadtlandmama erzählen. Ich war einige Tage über dem errechneten Termin und die Geburt wurde eingeleitet, doch zunächst tat sich nichts. Urplötzlich, nach zwei zermürbenden Tagen zwischen Wehencocktail, Gel und vielen Spaziergängen, ging es dann aber doch los und mich überrollten von Anfang an starke Wehen, mit denen ich kaum umgehen konnte. Hebammen kamen und gingen, doch die meiste Zeit waren mein Mann und ich allein im Kreißsaal. Ich äußerte Wünsche, Ängste und stellte Fragen, aber alles wurde abgetan als die ganz normalen Sorgen einer Erstgebärenden und wenn ich mein Kind dann in den Händen halten würde, wäre sicher alles vergessen. Aber so war es nicht, und Sätze wie: „Mit Schmerz können Sie nicht so gut umgehen, oder“? gingen mir noch Monate später durch den Kopf und die Erinnerung an eine Nacht, in der ich mich komplett ausgeliefert gefühlt hatte, ließ mich nicht los.
Ist das Gewalt?
Heute weiß ich, dass auch die Kraft und Wucht der Wehen einen ähnlichen Effekt des Ausgeliefertseins nach sich ziehen kann, aber das war es nicht, was mich so erschreckt hatte: Nicht mein Körper, seine Reaktionen und Funktionen hatten mich geängstigt, sondern das Gefühl, dass andere Menschen vollkommen über meinen Kopf hinweg entschieden, was als nächstes geschah, und mich gleichzeitig im Unwissen über ihre Entscheidungen ließen. Ich fühlte mich komplett hilflos – doch ist das dann Gewalt oder waren die diensthabenden Hebammen ‚nur‘ überlastet und vielleicht einfach unsensibel? Eine wirkliche Antwort auf diese Frage habe ich auch heute nicht, aber diese Nacht ist einer der Gründe, warum ich heute Mitglied im Mother Hood e.V. bin, der sich für familiengerechte Bedingungen in der Geburtshilfe einsetzt und besonders die Hebammenbetreuung unterstützen will, denn jede Frau sollte die Möglichkeit einer 1:1 betreuten Geburt haben – leider sieht die Realität aber ganz anders aus!
Das Geburtserlebnis dauert an
Es wurde und wird so viel diskutiert über den Wert und die Wichtigkeit der Hebammenarbeit und ich möchte daran anschließend betonen, dass die Geburtserfahrung auch deshalb so wichtig ist, weil sie nicht mit empfangener Plazenta und gekappter Nabelschnur endet: Geburt ist nicht nur einen Moment lang wichtig und es stimmt einfach nicht, dass es nur darauf ankäme, dass ‚am Ende‘ alle wohlauf sind. Im Gegenteil: Die Geburt meines ersten Kindes war ein so einschneidendes Ereignis, dass immer dann, wenn ich in der ersten Zeit als Mutter an mir zweifelte, auch wieder die Erinnerungen an mein vermeintliches ‚Versagen‘ im Kreißsaal zurückkehrten und ich brauchte eine ganze Weile, bis ich begriff, dass Geburt kein Wettkampf ist und es nicht darauf ankommt, etwas besonders tapfer ertragen zu können.
Respektvolle Geburtshilfe
Und daher denke ich am heutigen Roses Revolution Tag, der für eine gewaltfreie und respektvolle Geburtshilfe sensibilisieren will, besonders an diese Nacht zurück und wünsche mir, dass weniger Frauen sich das Wissen und die Gewissheit, die ich heute habe, erarbeiten müssen, und dass man es ihnen stattdessen einfach schenkt und zwar dann, wenn sie es am meisten brauchen – im Kreißsaal, in der heimischen Badewanne oder im Geburtshaus, ganz egal wo, Hauptsache es ist eine stärkende und Vertrauen einflößende Person vom Fach in der Nähe, die Hände hält, kühlende Waschlappen reicht, die atmet und tönt und die irgendwann den schönsten Satz sagt: Jetzt kommt Dein Kind!
Danke für diesen Beitrag! Bei der Geburt meines ersten Kindes ging es mir leider ähnlich. Den Link zum Roses Revolution Day habe ich gleich mal geteilt.
Deinen Blog lese ich sehr gern.
Liebe Grüße aus Leipzig, Susanne
Liebe Susanne, ich danke Dir wirklich sehr für das Feedback! Das freut mich riesig, denn ich habe den Eindruck, dass es sehr vielen Frauen so ähnlich ergangen ist. Und toll, dass Dir mein Blog gefällt 🙂 Ganz herzliche Grüße, Simone