Wie ich auch mit Joseph Incardonas „Asphaltdschungel“ keinen guten Krimi fand
(Werbung, da Rezensionsexemplar)
Schon lange bin ich auf der Suche nach einem guten Krimi. So einer, der von der ersten Seite an Spannung aufbaut, dessen Charaktere richtige Typen und nicht bloß Marionetten sind, die die immergleichen und oft auch peinlich weltfernen Dialoge abspulen. So ein Buch, das den Namen pageturner tatsächlich verdient, das immer wieder durch Originalität oder sprachliche Qualität überrascht und mich vielleicht am Ende sogar richtig umhaut, weil ich keinen blassen Schimmer von dem hatte, was da noch kommt. Natürlich gibt es solche Bücher, aber sie sind rar, und so hatte ich große Hoffnung gesetzt auf Joseph Incardonas „Asphaltdschungel“. Das Setting des Romans ist schnell erzählt: Es sind Sommerferien in Frankreich und wie jeder weiß ist damit die Hauptreisezeit des Jahres angebrochen. Die Autobahnen sind voll, die Raststätten ebenfalls und die Stimmung unter den Reisenden ist oft angespannt bis vollkommen entnervt. Durch die schiere Menge reisender Menschen ist es noch dazu sehr unübersichtlich in den Restaurants und auf den Parkplätzen neben der Autobahn, sodass sich die Gelegenheiten, auf die ein Mann lange gewartet hat, fast wie von selbst ergeben. Es verschwinden gleich mehrere junge Mädchen, die mit ihren Eltern in die Ferien unterwegs sind, und von Anfang an ist klar, dass es kein gutes Ende mit ihnen nehmen wird.
Verwüstete Zombies
Der Roman ist kein klassischer Krimi, erst recht kein „Whodunnit“, denn wer der Täter ist, erfahren wir schon ganz früh. Zudem wissen wir auch, wer die Opfer sind, und so ist die leitende Frage hier nicht, wer etwas getan, sondern was genau dieser jemand getan hat und wir ahnen direkt, dass hier Schreckliches, ja kaum Auszuhaltendes geschehen ist. Verfolgt wird der Entführer nicht nur von einer jungen Polizistin namens Julie Martinez und ihren Kollegen, sondern auch von einem betroffenen Vater, den nur noch der Gedanke an Rache am Leben hält. Und so sind im Grunde alle hier beteiligten Figuren vom Leben verwüstete Zombies, die aus nicht viel mehr als Schmerz und Wut bestehen. Lesend taucht man ein in die Abgründe durch ein Gewaltverbrechen verwaister Eltern und von Seite zu Seite frage ich mich mehr und mehr, ob man das lesen muss. Nicht, weil mich die hier präsentierte Geschichte zu sehr schockieren würde, sondern weil mich die Art und Weise, wie hier erzählt wird, immer mehr abstößt. Unaufhörlich geht es um Begierden, geht um Sex, aber den ganz tristen und stumpfen, der nur kurz über die eigene Verzweiflung hinweghelfen soll. Körperflüssigkeiten werden immer und immer wieder benannt und ich weiß nicht, wie oft davon berichtet wird, dass die ermittelnde Polizistin Martinez gerade ‚blutet‘, sprich ihre Periode hat. Für die Handlung ist das natürlich völlig unerheblich, aber es passt in die evozierte Stimmung aus Dunkelheit, Blut und Sperma. Nach 2/3en des Buches hatte ich ehrlich gesagt genug davon, habe quergelesen und geblättert und nachdem ich dann noch las, wie der Roman endet, stand fest, dass „Asphaltdschungel“ für mich schlicht das ist: eine vulgäre Mischung aus hard-boiled Krimi und roman noir, der von einer Welt erzählt, mit der ich selbst in Büchern nichts zu tun haben will.
Joseph Incardona: Asphaltdschungel. Roman. Aus dem Französischen von Lydia Dimitrow.
Lenos Verlag: Basel 2019.
339 Seiten, 22,00 Euro.
ISBN 978-3-85787-494-9
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