Zufällig traf ich gestern eine gute Bekannte. Wir sind nicht eng befreundet, aber ab und zu sehen wir uns, es ist immer herzlich und das bereits seit vielen Jahren. Sie kennt mich seit der Schwangerschaft mit Kind Nr.2 und natürlich war unser kommendes Baby gestern ebenfalls ein Thema. Als sie dann sagte, dass ich mal wieder einen ’so herrlich entspannten Eindruck‘ machen würde, und dass das bei mir in der Schwangerschaft ja immer so gewesen sei, war ich zunächst erstaunt. Denn es gibt einige Dinge, die mir zum Thema „Schwangerschaft und ich“ einfallen, aber Gelassenheit gehört da eher nicht dazu.
Vordergründige Ruhe
Je länger ich im Anschluss über ihre Worte nachdachte, desto plausibler erschienen sie mir, denn das, was sie für ein Zeichen meines ‚entspannt seins‘ hält, ist eine gut einstudierte, aber nur sehr vordergründige Ruhe, weil ich mich am liebsten für mich ganz allein mit allem verrückt mache! Denn eigentlich bin ich zu 100 % das genaue Gegenteil von gelassen: ich möchte alles planen, mag Überraschungen überhaupt nicht und das nicht nur hier und heute (nicht), sondern gerne auch in der nahen Zukunft. Was ich im großen Ganzen nicht brauche ist Sicherheit für die nächsten Jahre, aber das Gefühl, Situationen Tag für Tag unter Kontrolle zu haben, ist total wichtig für mich.
Ich möchte genau wissen, was auf mich zukommt und deshalb gehe ich alles, was ansteht, unzählige Male im Kopf durch, um alle Varianten und eventuell eintretenden Ereignisse durchzuspielen. Wenn mir etwas bevorsteht, das ich nicht so richtig einschätzen kann, dann wird gegoogelt bis der Akku leer ist und da lese ich so ziemlich alles: Doktorarbeiten in Disziplinen, die ich überhaupt nicht wirklich verstehe, journalistisch gut aufbereitete Texte, kurze Zusammenfassungen, die wiederum was ganz anderes behaupten, bis hin zu jedem noch so dämlichen Kommentar in irgendwelchen Foren.
Das kann man jetzt recht seltsam finden, vor allem ist es aber Folgendes: es ist super anstrengend, aber es hilft mir – zumindest kurzfristig. Erst wenn ich das Gefühl habe, restlos über alles informiert zu sein und entsprechend Pläne für Fall A bis C entwickelt habe, kann ich gedanklich zum nächsten Thema überwechseln – und mich damit dann verrückt machen.
Denn genau das ist das Problem an meiner vermeintlichen Gelassenheit: irgendwas, über das ich mir Sorgen machen könnte, gibt es bei vier Kindern, einer Schwangerschaft, weiterhin Corona, Krieg, Klima und Affenpocken natürlich immer und wenn ich eins aus den letzten Jahren mitgenommen habe, dann ist es dieser Satz: Ich will das nicht mehr!
Ich will nicht mehr
Ich will nicht mehr Sorge und Angst meinen Alltag durchziehen lassen, denn die Pandemie hat auf so vielfältige Art und Weise gezeigt, dass meine Berechnungen oft eben nicht stimmen und dass wirklich etwas dran ist, sich keine Gedanken über Dinge zu machen, die vielleicht niemals eintreten werden. Komplett ablegen werde ich diese Tendenz zum leicht manischen ‚Overthinking‘ sicher nicht können und in manchen Bereichen (beruflich zum Beispiel) führt es ja auch zu nicht allzu schlechten Ergebnissen. Aber dennoch: im Privaten will ich weg davon, denn sehr bald kommt da ein neuer Mensch zu uns, auf den ich mich einfach nur freuen möchte!
Geht auch alles gut?
Geht auch alles gut? Habe ich an alles gedacht? Was ist, wenn es eine Sturzgeburt ist? Wenn ich dann mit den Kindern alleine zu Hause bin? Wie kommen die Kinder damit klar, wenn Jan und ich nicht da sind? Was ist, wenn vorher einer Corona bekommt? Hatte ich nicht gestern ein Kratzen im Hals? – Die Liste ließe sich beinah beliebig lang fortsetzen und wenn ich nicht mehr weiß, worüber ich spekulieren könnte, dann öffne ich einfach Twitter und lese, worüber sich andere, mir komplett fremde Menschen, gerade in Rage und Panik schreiben. (Über diesen Punkt bin ich glücklicherweise bereits hinaus…)
Tschüss Angst?
Wenn ich also eins ablegen, hinter mir lassen, verändern und wegschieben will, dann sind es Angespanntheit, Sorge und Angst. Und wenn meine Bekannte mir attestiert, dass ich so herrlich entspannt sei, dann weiß ich, dass ich zumindest auf einem guten Weg bin. Denn wenn ich es schonmal nach außen hin schaffe diesen Eindruck zu erwecken, dann wird es sich auch irgendwann in mir gefestigt haben. Mir ist bewusst, dass das eine arg umstrittene Idee ist, denn angeblich kommt ja alles von innen und so, aber ich glaube zu wissen, dass es bei mir auch ganz gut andersherum funktioniert: wenn ich Ruhe ausstrahle und so wirke, als wäre ich ganz bei mir, dann komm ich da nach einer Weile auch tatsächlich an.
So, das wollte mal raus und gern würde ich mich mit euch darüber austauschen, in welchen Bereichen ihr das Gefühl habt, dass Selbst- und Fremdbild auf euch so gar nicht zutreffen. Lust zu erzählen? Das würde mich freuen!
Bei mir ist es die Geduld! Menschen sehen in mir die Geduld in Person und ich bin das krasse Gegenteil. Weder mit mir, noch mit anderen habe ich da Nachsicht. Insofern verstehe ich dich da sehr gut, dass du erst mal irritiert warst.
Das ist echt interessant – ich bin auch total ungeduldig und zumindest meine Kinder wissen das leider :). Der Blick von außen ist echt so eine Sache…