Wie war das noch mit dem Gkück? Drei neue Lieblingsbücher
(Werbung, da Rezensionsexemplare)
Rose Lagercrantz über Freundschaft
Die Bücher der schwedischen Schriftstellerin Rose Lagercrantz begleiten uns schon eine ganze Weile – beispielsweise „Das Weihnachtskind“. Auch die nunmehr siebenteilige Kinderbuchreihe um das Mädchen Dunne und ihre allerallerbeste Freundin Ella Frida ist einfach toll, weshalb wir uns auf den neuesten Band „So glücklich wie noch nie?“ sehr gefreut haben.
Lagercrantz erzählt ebenso lebensnah wie warmherzig aus dem Alltagsleben von Kindern und ihren Familien und sie berichtet von den besonderen Erlebnissen, die Dunne und Ella Frida bewegen, ohne dabei die traurigen Seiten auszusparen. Denn Dunnes Freundin Ella Frida ist bereits in Band 4 der Reihe in eine andere Stadt gezogen, und seither vermissen die Freundinnen sich sehr. Nun, im siebten und letzten Band, steht eine Hochzeit bevor, doch auf dem Weg dorthin gibt es noch so einige Schwierigkeiten und ungelöste Probleme.
Ich habe die Dunne-Reihe meinem Kindergartenkind vorgelesen, denn eigentlich richtet sie sich thematisch schon an Kinder, die selbst lesen können. Aber ich hatte all die Conni-Schönwetterbücher so satt, die nichts mit der Wirklichkeit vieler Familien zu tun haben, und bei Rose Lagercrantz gibt es eben beides: echtes Leben und magische Kindheitsmomente.
Die Illustrationen im Buch stammen wieder von Eva Eriksson und tragen dazu bei, dass Dunnes Welt uns so gut gefällt – und last but not least sind die Bücher aus dem Moritz Verlag auch sehr angenehm vorzulesen, weil es wirklich schön gestaltete Bücher sind: ein gutes Hardcover-Format, das innen wie außen Qualität verspricht.
Rose Lagercrantz / Eva Eriksson: So glücklich wie noch nie? Aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch. Moritz Verlag 2020.
ISBN: 9783895653902, 224 Seiten.
Preis: 12,95 Euro.
Zwei später weltberühmte Kinder
Als ich von diesem Buch las, musste ich unbedingt mehr darüber erfahren: Ein Roman für Kinder und Jugendliche über Truman Capote und Nelle Harper Lee? Der Autor G. Neri erzählt in „Tru & Nelle“ die Geschichte einer ganz besonderen Freundschaft zwischen zwei jungen Menschen, die Jahre später weltberühmte Schriftsteller bzw. Journalisten sein würden.
Der Roman spielt in Monroevilla/Alabama und das ist ungefähr der letzte Ort, an dem der junge Truman gern sein würde. Doch die Freundschaft zu Nelle wird bald schon sehr eng und gemeinsam begeben sich die beiden auf die Suche nach einem echten Kriminalfall.
Als mein großer Sohn das Buch zu lesen begann, kam er zunächst etwas schleppend voran. Vorher hatte er einige sehr aufregende Fantasygeschichten gelesen und er wusste nicht so recht, was ihn in „Tru und Nelle“ erwarten würde. Als ich ihm dann meine „Zauberberg“-Geschichte erzählte – ich habe Thomas Manns Roman unzählige Male begonnen, immer wieder weggelegt, für sterbenslangweilig gehalten und dann auf einmal, da war ich so begeistert, habe das Buch in zwei Tagen weggelesen und halte es heute für einen der besten Romane überhaupt – konnte ich ihn doch dazu motivieren, noch einmal richtig ins Buch einzusteigen.
Wie geht es denn nun weiter?
Und tatsächlich: Es hatte ihn gepackt und nun wollte er unbedingt wissen, wie es mit Trus und Nelles Ermittlungen weiterging, ob Trumans verschwundener Vater noch auftauchen würde und warum seine Mutter manchmal so gemeine Sachen zu ihrem Sohn sagt. Nicht auf alle Fragen gibt das Buch eine Antwort, aber das muss es auch nicht. Es hat dafür sehr zum Nachdenken angeregt, gut unterhalten und uns einigen Stoff für wichtige Gespräche über das geliefert, was im Leben manchmal nicht so besonders gut läuft. Ein gelungenes Buch, das weit mehr transportiert als ‚nur‘ eine spannende Geschichte.
G. Neri: Tru & Nelle. Eine Geschichte über die Freundschaft von Truman Capote und Nelle Harper Lee. Aus dem Englischen von Sylvia Bieker und Henriette Zeltner.
Verlag Freies Geistesleben 2020.
ISBN: 978-3-7725-2927-6, 281 Seiten.
Preis: 18,00 Euro.
Ein rasendes, fesselndes und blitzgescheites Debüt
„Und jetzt bin ich hier“ ist der Debütroman der britischen Schriftstellerin Jessica Andrews und formal zunächst einmal ungewöhnlich. Denn die Geschichte von Lucy, einer jungen Frau aus Nordengland, die es zum Studium nach London und später in ein einsames Cottage zieht, wird nicht linear und chronologisch erzählt, sondern vielmehr als eine Art Einkreisung entworfen.
Es geht nicht nur darum, von Lucy zu erzählen hat, sondern auch um die Frage, wer Lucy überhaupt ist, woher sie kommt und wie sich ein Leben und eine Identität überhaupt in Sprache übersetzen lassen.
Lucy hat ein inniges Verhältnis zu ihrer Mutter, die die Familie über viele Jahre hinweg zusammenhält und sie hat einen Vater, der zwar irgendwie ein guter Kerl ist, aber das reicht nicht, wenn man schwerer Alkoholiker und die Unzuverlässigkeit in Person ist.
Vielleicht ist Lucy tatsächlich so zerrissen, wie es die kurzen Abschnitte (oder Mikro-Kapitel) sind, in denen hier erzählt wird, denn formal erinnert Andrews Roman zeitweise eher an ein Tagebuch mit vielen Rückblenden, als an einen stringent erzählten Roman. Und trotzdem ist da ein sehr nachvollziehbarer plot und Andrews Schreiben ist auch keinesfalls wirr oder chaotisch, im Gegenteil: Die Erzählerin Lucy ist sehr klar und präzise in ihrer Wortwahl, wodurch selbst ihre Zerrissenheit zu einer ganz offenen und verständlichen Tatsache wird.
Sie ist das Mädchen aus dem Norden Englands mit dem starken Akzent, die herbe Gerüche und Glitzerkram liebt. Sie will tanzen, feiern und Sex haben, und sie will denken, schreiben und ernst genommen werden. Lucy liest Sylvia Plath und umnebelt sich mit Vanilla Kisses, kennt schon als Kleinkind den Text von „Wonderwall“ auswendig und sie trinkt und raucht viel zu viel. Sie ist dünn und wird immer dünner, aber sie will nicht verschwinden, sondern über Grenzen gehen und alles ausloten, was da noch gehen könnte.
Dabei hat Andrews es geschafft, mich als Leserin absolut mitzunehmen und insbesondere die Schilderungen ihrer Jugend haben so viel zu sagen über vollkommen verzerrte Körperbilder, über unerhört hohe Erwartungen und über herumirrende Augen und Hände, die sich an Orten aufhalten, wo sie nicht hingehören. Aber in Lucys Leben ist auch viel Schönheit, große Sehnsucht und unbändige Lebensfreude, die manchmal einfach so da ist.
„Und jetzt bin ich hier“ ist dabei ein sehr treffender Titel, denn obwohl Lucy rückblickend von ihrer Familie und ihrem Aufwachsen erzählt, ist sie in jedem Moment voll da und nimmt ihre Leser mit in das Jetzt der jeweiligen Zeit. Da gibt es keine Distanz, keine nachträgliche Korrektur und kein interpretierendes Zurechtrücken, sondern den bloßen Moment in seinem Dasein – egal ob er brutal hässlich, verletzend oder überwältigend schön gewesen ist.
Jessica Andrews ist ein sehr beeindruckender Roman gelungen, den ich in seiner schonungslosen Genauigkeit sehr mutig fand und ich wünsche mir viele weitere Bücher aus ihrer Feder.
Jessica Andrews: Und jetzt bin ich hier. Aus dem Englischen von Anke Caroline Burger.
Hoffmann und Campe 2020.
ISBN: 978-3-455-00821-0, 336 Seiten.
Preis: 23,00 Euro.