„Aus und davon“: Ein Familienroman von Anna Katharina Hahn
Anna Katharina Hahns neuer Roman „Aus und davon“ ist ein Familienroman über vier Generationen, der zwischen Stuttgart und den USA spielt. Ganz am Anfang der Geschichte klebt ein Pfannkuchen an einer Küchendecke und Oma Elisabeth weiß nicht so recht, wie sie ihn dort wieder runterbekommen soll. Wir sind also sofort mitten im Geschehen und das ist ganz typisch für Hahns Schreiben: Es braucht keine langen Vorreden, Hinleitungen oder Erklärungen, sondern man ist direkt im Mittelpunkt des Geschehens und in der Gedanken- und Gefühlswelt der Figuren. Hahn schreibt Familiengeschichten mit Zwischentönen, die lange nachwirken, und das ist ihr auch dieses Mal geglückt.
Wo ist der Pfannkuchen?
In „Aus und davon“ ist nämlich nicht nur ein Pfannkuchen nicht an dem Ort, an dem er eigentlich sein sollte, sondern vieles hat sich im sicher geglaubten Umfeld der Familie gerade verschoben, ist unerwartet in Bewegung geraten oder befindet sich im Aufbruch. Soll man einen Menschen, mit dem man Jahrzehnte verbracht hat, tatsächlich verlassen? Und wer ist man dann noch, wenn der andere plötzlich weg ist? Elisabeth stellt sich genau dieselben Fragen wie ihre Tochter Cornelia, nur sprechen sie ausgerechnet darüber nicht. Überhaupt fällt es Elisabeth schwer, für das, was sie bewegt, die richtigen Worte zu finden, aber auch sie ist nicht grundlos die, die sie ist, und aus ihrer Geschichte lernen wir, warum sie nicht aus ihrer Haut kann.
Elisabeths Tochter Cornelia ist selbst Mutter zweier Kinder und schlägt sich als mittlerweile alleinerziehende Physiotherapeutin so durch. Die große Tochter ist in der Pubertät und stets umringt von männlichen Fans, während sich der kleine Sohn am liebsten die Bettdecke über den Kopf ziehen möchte, weil er keinen Tag länger das fette Kind sein will, über das in der Schule alle herziehen. Doch genau jetzt, in dem Moment, in dem wir als Leserinnen und Leser in das Leben der Familie eintauchen, erfüllt Cornelia sich einen langgehegten Wunsch: Sie reist in die USA und begibt sich auf die Spuren ihrer Familie, während daheim in Stuttgart Oma Eli die Stellung hält.
Figuren, die man zu kennen glaubt
Anna Katharina Hahn erschafft Figuren, die man nach wenigen Seiten schon zu kennen glaubt, weil man sie in einer zugleich alltäglichen, wie außergewöhnlichen Situation begleitet. Und je weiter die Handlung des Romans voranschreitet, umso verständlicher wird, warum eine so agiert, wie sie es eben tut und für richtig hält. Durch Hahns Figuren wird sichtbar, wie das Leben so spielt und welche Auswirkungen die Entscheidungen und Handlungen anderer haben können, auch wenn diese davon nicht das Geringste ahnen.
„Aus und davon“ ist ein Roman, der nach dem Ende der Lektüre in den Köpfen seiner Leserinnen und Leser weitergeht, und so werde ich Eli und Cornelia so schnell nicht vergessen und mir weiterhin Gedanken über all das Unausgesprochene machen, das hier zwischen den Zeilen immerzu mitschwingt.
Anna Katharina Hahn: Aus und davon. Suhrkamp Verlag 2020. ISBN: 978-3-518-42919-8, 303 Seiten. Preis: 24,00 Euro.