Heute möchte ich Euch Kristina Scharmacher-Schreiber im Interview vorstellen, die nicht nur die Autorin preisgekrönter Kindersachbücher ist, sondern eine wirklich spannende und sympathische Frau und Mutter. Aber lest selbst…
Liebe Kristina, Du bist Autorin von Kindersachbüchern und konntest unlängst mit „Wie viel wärmer ist 1 Grad“ große Erfolge feiern. Daher noch einmal herzlichen Glückwunsch zum Wissenschaftsbuch des Jahres in der Kategorie Junior-Wissen, zum EMYS-Jahrespreis und der Nennung im Lesekompass, der Orientierungshilfe der Leipziger Buchmesse für Kinder- und Jugendliteratur. Wie bist Du denn eigentlich zum Schreiben von Kinderbüchern gekommen?
Vielen Dank für die Glückwünsche!
Ich habe schon immer gern und viel geschrieben. Als Kind habe ich ganze Nachmittage lang an meinem Schreibtisch gesessen und viele DIN-A4-Hefte mit meinen Geschichten gefüllt. Klingt ein bisschen klischeehaft, aber es war tatsächlich so. Später, während des Studiums, habe ich dann angefangen, für Zeitungen zu schreiben. Nach dem Abschluss habe ich an Opernhäusern gearbeitet und auch dort einen Großteil der Zeit damit verbracht, Texte zu verfassen. Dass ich dann mein erstes Kindersachbuch veröffentlicht habe, hat sich in der Elternzeit ergeben. Nach ein paar Monaten zuhause fiel mir ein wenig die Decke auf den Kopf und ich habe mich danach gesehnt, zu arbeiten. Sofort wieder auf meine damalige Stelle bei einer großen Ballettcompagnie zurückzukehren erschien mir aber nicht das Richtige – mein Job dort war sehr zeitintensiv, außerdem hätte ich von Mannheim nach Stuttgart pendeln müssen – also alles nicht gut mit Baby zu vereinbaren. Deshalb habe ich beschlossen, meine Kontakte aus dem Germanistikstudium zu nutzen und habe bei einigen Verlagen angeklopft. Und siehe da – nachdem ich ein paar Arbeitsproben geschrieben hatte, kamen tatsächlich die ersten Aufträge. Dass sie alle aus dem Kinderbuchbereich stammten, war eigentlich eher Zufall. Aber es hat mir so gut gefallen, für Kinder zu schreiben, dass ich dabeigeblieben bin.
Du hast Deine Arbeit an verschiedenen Opernhäusern erwähnt: Wofür warst Du dort zuständig und wie sah Dein Arbeitsalltag früher aus?
Ich war zuerst in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Oper, Ballett und Orchester und später dann in der Ballettdramaturgie tätig. In diesen Bereichen hat man zunächst mal einen ganz normalen Büroalltag. Ich bin morgens gegen neun ins Theater gekommen, habe Emails beantwortet, mit Journalisten telefoniert, Fototermine oder Pressegespräche organisiert und betreut, Texte für Pressemittelungen, Werbemittel und andere Publikationen wie Programmhefte oder Theaterzeitungen geschrieben. In der Dramaturgie lag der Schwerpunkt dann stärker auf der direkten Arbeit am Repertoire und an den einzelnen Stücken. Da habe ich sehr viel in Bibliotheken recherchiert, die Choreographen, die die Stücke kreiert und mit den Tänzern umgesetzt haben, inhaltlich beraten, aber auch Werkeinführungen für das Publikum gehalten und Veranstaltungen moderiert. Ich hatte häufig in Proben zu tun und auch bei Vorstellungen musste (und wollte!) ich oft anwesend sein, z.B. bei Premieren oder Rollendebüts. Dass ich oft an den Abenden, an Feiertagen oder Wochenenden gearbeitet habe, war ganz normal. So kam ziemlich viel Arbeitszeit zusammen und es blieb wenig Zeit für Dinge, die sich außerhalb des Opernhauses abspielten. Ich habe das alles sehr geliebt, aber als ich Mutter geworden bin, haben sich meine Prioritäten verschoben.
Das kenne ich wirklich gut! Wie sieht denn Dein Arbeitstag heute aus?
Jetzt sitze ich wochentags bis ungefähr 15 Uhr am Schreibtisch. Dann hole ich meine Tochter aus dem Kindergarten ab und wir haben meist Pläne – Spielplatz, Kurse, Freunde treffen, Einkaufen oder Wäsche waschen… was man im Alltag mit Kind eben so macht. Es kommt aber öfters vor, dass ich mich abends noch mal hinsetze oder in heißen Phasen eines Projekts an den Wochenenden arbeite, wenn mein Mann Kind und alles Drumherum übernehmen kann. Meine Zeit am Schreibtisch verbringe ich natürlich zu einem großen Teil schreibend, aber ich telefoniere oder skype auch oft mit meinen Lektorinnen oder Illustratorinnen (es sind tatsächlich fast immer Frauen!), um neue Projekte zu besprechen, Korrekturen durchzugehen oder Inhalte zu diskutieren. Und ich erledige Bürokram wie Rechnungen schreiben oder Verträge ausfüllen. Immer häufiger bin ich jetzt auch für Lesungen unterwegs, in Buchhandlungen, Bibliotheken und Schulen. Vor allem das Klimabuch stößt da gerade auf großes Interesse.
Arbeitest Du immer an einem Projekt bis es fertig ist oder laufen mehrere Bücher parallel?
Es laufen meist mehrere Bücher parallel. Vielleicht ist eines schon in der abschließenden Korrekturphase, während ich für ein anderes gerade ein erstes inhaltliches Konzept erstelle. Für das nächste kommen gerade die ersten Skizzen der Illustratorin zur Begutachtung und wieder bei einem anderen stecke ich mitten in der Textarbeit. Wenn es geht, versuche ich aber, die Woche so einzuteilen, dass ich mich einen oder sogar mehrere Tage lang nur auf ein Buch konzentrieren kann, damit ich gedanklich nicht zu stark springen muss. Manchmal geht es aber nicht anders.
Was tust Du gegen Schreibflauten und woher nimmst Du Deinen Ideenreichtum?
Schreibflauten hatte ich eigentlich noch gar nicht so richtig. Das liegt bestimmt daran, dass ich ja bisher ausschließlich Sachbücher geschrieben habe, da kann ich mich immer gut an den Fakten entlang hangeln, wenn es mal nicht ganz so leicht fließt.
Die Ideen entstehen meist im Austausch mit den Lektorinnen. Im Sachbuchbereich gibt es in den Verlagen oft schon sehr konkrete Vorstellungen davon, was sich gerade gut in das jeweilige Programm einfügen könnte. Oft bekomme ich ganz konkrete Anfragen, ob mich ein Thema interessiert und ob ich mir vorstellen kann, darüber zu schreiben. Manchmal passt das dann perfekt – die Idee eines Kinderbuches über das Klima schwirrte mir zum Beispiel schon im Kopf herum, seitdem meine Tochter geboren wurde und mir noch einmal bewusster wurde, wie sehr wir uns für unseren Planeten einsetzen müssen. Es kamen dann erst einmal andere Projekte dazwischen – bis Beltz&Gelberg mich gefragt hat, ob ich zu diesem Thema schreiben will. Wollte ich!
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Illustratorinnen und Illustratoren?
Das ist von Projekt zu Projekt und auch von Verlag zu Verlag unterschiedlich. Manchmal mache ich das Manuskript komplett fertig, dann wird lektoriert und dann illustriert. Die Illustrationen sehe ich erst, wenn bereits alles zu einem Umbruch zusammengefügt wurde. Manchmal bin ich aber auch stärker involviert. Bei meinem Ballettbuch war ich zum Beispiel gleichzeitig auch Fachberaterin, d.h. ich habe am Briefing für die Illustratorin Elisa Vavouri mitgearbeitet und dann die Skizzen auf fachliche Richtigkeit überprüft, bevor sie „ins Reine gebracht wurden“.
Auch beim Klimabuch war die Zusammenarbeit mit der Illustratorin Stephanie Marian sehr eng. Das lag daran, dass der Klimawandel ein unwahrscheinlich facettenreiches und manchmal auch kompliziertes Thema ist. Trotzdem sollten die Texte einfach, kurz und knapp werden, da sich das Buch an sehr junge Leser richtet. Deshalb war es ganz wichtig, dass auch die Illustrationen Informationen vermitteln und Zusammenhänge verständlich machen. Ich habe also beim Schreiben die Bilder immer gleich mitgedacht. Und war in engem Kontakt mit Stephanie Marian und mit unserer Lektorin von Beltz&Gelberg. Wir haben zum Beispiel gemeinsam überlegt, welche Informationen man aus den Texten streichen und nur durch die Bilder vermitteln könnte.
Ist es nicht wahnsinnig schwierig, die richtige Bildsprache für die eigene Geschichte zu finden bzw. finden zu lassen?
Schwierig ist es weniger für mich als für die Verlage. Die kümmern sich nämlich normalerweise um die Suche nach der passenden Illustratorin oder dem passenden Illustrator für ein Projekt. Natürlich gebe ich meine Vorstellungen weiter und darf meine Wünsche äußern oder ein Veto einlegen, wenn jemand vorgeschlagen wird, der nicht meinen Vorstellungen entspricht. Die allerletzte Entscheidung darüber, wer dann tatsächlich illustrieren darf, liegt aber beim Verlag. Es ist kam allerdings noch nicht vor, dass ich mit dieser Entscheidung nicht einverstanden gewesen wäre. Die Lektoren und Lektorinnen sind ja Profis und wissen sehr genau, welche Bildsprache zu den jeweiligen Themen passt.
Gibt es ein Thema, das Dir besonders am Herzen liegt und wirst Du vielleicht noch weitere Bücher im Themenfeld Klima/Natur und Umwelt schreiben?
Es gibt viele Themen, die mich interessieren und die ich als sehr wichtig empfinde. Es sind bereits einige neue Sachbuchprojekte in Planung, auch Umwelt- und Naturtitel sind dabei. Außerdem arbeite ich zurzeit an echten Herzensprojekten, die im Jahr 2021 erscheinen werden: Ich werde mich neben Sachbüchern ab jetzt auch dem Erzählen widmen. Darüber freue ich mich persönlich besonders!
Stichwort Lesen: Wie bekommt man die Kinder denn nun zum Lesen? Hast Du Tipps und Ideen für die private Leseförderung?
Hmm, ich bin keine Expertin für Leseförderung und habe keine Profi-Tipps. Aber ich denke, wie in so vielen Dingen können wir da einfach gute Vorbilder für unsere Kinder sein. Wenn es für uns Eltern zum Alltag gehört, zu lesen, dann werden die Kinder das vielleicht ganz selbstverständlich so fortführen. Ein Leseritual zu schaffen ist bestimmt auch eine gute Idee. Meine Tochter ist ja noch zu klein, um selbst zu lesen. Und manchmal hat sie tagsüber keine Lust, Bücher anzuschauen, da sie gerade viel lieber spielen, malen oder rausgehen will. Aber abends einzuschlafen, ohne dass mein Mann oder ich ihr vorher etwas vorlesen, ist für sie unvorstellbar.
Weißt Du noch, welche Bücher Dich in Deiner Kindheit/Jugend besonders geprägt und zur Vielleserin gemacht haben?
Zum größten Teil waren das tatsächlich die Klassiker der Kinderliteratur. Astrid Lindgren, Erich Kästner, Michael Ende oder Christine Nöstlinger zum Beispiel. Als Jugendliche dann ebenfalls: Ich erinnere mich zum Beispiel daran, mehrfach „Wer die Nachtigall stört“ oder „Der Fänger im Roggen“ gelesen zu haben.
Ich hatte das Glück, in einem Haushalt voller Bücher aufzuwachsen und als ich etwas älter war, konnte ich mich nach Lust und Laune an den Bücherregalen meiner Eltern bedienen, so dass ich schon früh in Kontakt mit ganz vielen verschiedenen Autoren und Büchern gekommen bin.
Was liest Du heute privat am liebsten? Du hast Germanistik in Münster und Bergamo studiert, da gibt es sicher mehr als ein Lieblingsbuch im Regal…
Ich lese eigentlich so gut wie alles gern, was mir in die Finger kommt. Das kann genauso gut Harry Potter, ein Schweden-Krimi oder ein Roman von Thomas Mann sein. Eine besondere Vorliebe hatte ich schon immer für die englischen Autorinnen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts: Jane Austen, die Brontë-Schwestern, Elizabeth Gaskell … Ich kann gar nicht so genau sagen, warum eigentlich. Vielleicht einfach, weil ich England so wunderschön finde. Oder weil ich die Sprache mag, den Humor oder auch den nicht zu leugnenden Einschlag von Kitsch. Oder weil diese Autorinnen so starke Frauencharaktere entwickelt haben zu einer Zeit, zu der das alles andere als selbstverständlich war. Aber, ganz ehrlich: Seit meine Tochter auf der Welt ist, beschränkt sich meine „private“ Lesezeit meist auf gute zehn Minuten, immer abends vor dem Einschlafen. Länger halte ich nicht mehr durch, bis mir die Augen zufallen.
Könntest Du Dir auch vorstellen, in anderen Genres zu publizieren, also bspw. Romane für Erwachsene zu schreiben oder Krimis, Theaterstücke… Beispielsweise im skandinavischen Raum ist so eine Textvielfalt ja keine Seltenheit.
Letztes Jahr habe ich ein Ballettbuch für Erwachsene aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt. Ansonsten sind zurzeit tatsächlich nur Kinderbücher in Planung, damit bin ich ganz gut ausgelastet. Aber vorstellbar wären auf jeden Fall auch andere Genres, wer weiß, was die Zukunft bringen wird …
Und noch eine Frage zu Bergamo, denn ich liebe diese Stadt: Was hast Du aus Deiner Zeit in Italien mitgenommen?
Das Wissen, dass man sich an den verschiedensten Orten zuhause fühlen kann. Und wie viele fantastische Menschen es überall auf der Welt gibt. Bevor ich nach Italien gegangen bin, habe ich in Münster gewohnt, gerade mal eine gute halbe Stunde von meiner kleinen Heimatstadt entfernt. Ich konnte mir damals gar nicht so recht vorstellen, wie es sich anfühlt, weiter weg von meinem lang gewachsenen Freundeskreis und meiner Familie zu sein. Später habe ich dann in mehreren verschiedenen Städten gelebt und wusste vor jedem neuen Umzug: Es ist so spannend, neue Dinge zu entdecken, sich eine neue Stadt zu erobern. Und es gibt überall tolle Leute, die einem das Ankommen leicht machen. In Italien habe ich das zum ersten Mal erfahren.
Könntest Du Dir auch vorstellen mit der kompletten Familie im Ausland zu leben?
Ja, das könnte ich auf jeden Fall und ich hoffe, dass sich diese Möglichkeit irgendwann noch mal ergeben wird. Zumindest für eine gewisse Zeit. Denn gleichzeitig merke ich, wie ich mit „fortschreitendem Alter“, vor allem durch unsere Tochter, immer stärker das Bedürfnis entwickle, mich für längere Zeit an einem vertrauten Ort niederzulassen.
Und zum Schluss noch eine (vielleicht) knifflige Frage: Wenn mein achtjähirger Sohn mich heute Abend fragt, ob wir das mit dem Klima noch hinbekommen können – was antworte ich ihm dann?
Die Frage finde ich tatsächlich etwas knifflig, denn ich denke, man sollte zu seinen Kindern ehrlich sein, darf ihnen aber natürlich keine Angst machen. Da einen guten Mittelweg zu finden ist beim Thema Klimawandel gar nicht so einfach. Ich würde ihm wahrscheinlich sagen, dass wir eine Chance haben, den Klimawandel zu begrenzen, wenn alle dabei mithelfen. Das sind wir in unserem täglichen Leben, aber auch die „Großen“, wie Politiker und Wissenschaftler.
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