(Werbung, da Rezensionsexemplar)
Der amerikanische Schriftsteller Ben Lerner hat mit „Die Topeka Schule“ einen Roman geschrieben, der von Amerika erzählt. Amerika, wie es heute ist, wie es die letzten Jahrzehnte über war und wie es sein kann, dass Donald Trump tatsächlich noch immer im Amt ist und ihn auch im November wieder unzählige Menschen wählen werden. Auf Inhalte und Trumps unglaubliche Versäumnisse kommt es dabei überhaupt nicht an, denn abertausende Amerikaner identifizieren sich bizarrer Weise mit einem Geschäftsmann, dessen Botschaft „Scheiß drauf, jetzt komm ich“ zu genügen scheint und der einen Typus repräsentiert, den es eigentlich gar nicht mehr geben dürfte.
Lerners Biographie hat große Ähnlichkeit mit der seines Protagonisten Adam, denn beide waren als Schüler US-Meister im Debattieren und leben als Schriftsteller in Brooklyn. Aus der Beschreibung von Debattierwettbewerben, deren Stellenwert mir nur aus zahlreichen amerikanischen TV-Serien bekannt war, wird in „Die Topeka Schule“ langsam und nachdrücklich die Ahnung eines richtig großen Zusammenhangs. Denn Adam will gewinnen, auch wenn ihn die Aufregung während seiner immer wichtigeren Auftritte belastet, aber sein Trainer weiß, wie man die Punktrichter überzeugt. Die hier von Schülern entwickelte Rhetorik dient allein dazu, den Gegner platt zu machen und als Adam eines Tages auf einen jungen Mann trifft, der unglaublich schnell und unverständlich eine Flut von Argumenten auf ihn niederprasseln lässt, merkt er, dass er hier mit Sachlichkeit nicht weiterkommt. Es ist die Sprache, die sich verändert hat, die zu einem stotterigen Gewirr aus Hauptsätzen geworden ist, welche kaum mehr etwas transportieren als Geräusche, aber die dafür umso lauter.
Die Männer
Doch Lerners Roman ist noch wesentlich vielseitiger und erzählt nicht nur aus Adams Perspektive, sondern auch aus der von Darren, einem jungen Mann, dem eine Situation entgleitet, nachdem ein Mädchen ihn „Schwuchtel“ genannt hat und das ist in den 90er Jahren im Mittleren Westen eine kaum zu überbietende Beleidigung. Auch Adams Eltern kommen ausführlich zu Wort, denn Jane und Jonathan sind Psychoanalytiker und das Zusammenleben mit zwei Menschen, die professionell damit befasst sind, zwischenmenschliche Beziehungen zu ‚bearbeiten‘ und immer dann ‚Penisneid‘ zu rufen, wenn irgendein Größenverhältnis nicht stimmt, ist gewiss sehr anstrengend.
Auch wenn mich die Passagen aus Sicht der Mutter und des Vaters sprachlich manchmal arg genervt haben, ist das, was da auf inhaltlicher Ebene im Hintergrund geschieht, großartig. Obwohl Jane und Jonathan wirklich gut darin sind, das eigene Verhalten immer wieder zu reflektieren und manches Mal enorm über zu interpretieren, bleiben sie eben ein Mann und eine Frau mit Fehlern, Schwächen und Vergangenheiten und schaffen es manchmal nicht, aus familiär weitergegeben Verhaltensmustern und Strukturen auszubrechen.
Eines ist ihnen dabei aber überaus wichtig: Adam soll keiner von den Männern werden und wer wissen will, was Lerner damit meint, muss dieses Buch lesen. Beim anschließenden Schauen der Nachrichten wird einem dann umso deutlicher bewusst, wie hellsichtig und klug „Die Topeka Schule“ davon erzählt, woraus die Stimmung eines Landes besteht und wie Macht sich festigt, wenn man die Worte erst verändert hat.
Ben Lerner: Die Topeka Schule. Roman. Aus dem amerikanischen Englisch von Nikolaus Stingl. Suhrkamp 2020. ISBN: 978-3-518-42949-5, 395 Seiten. Preis: 24,00 Euro.