(Triggerwarnung Fehlgeburt)
Kürzlich habe ich hier auf dem Blog darüber geschrieben, warum ich meine erste Schwangerschaft überhaupt nicht genießen konnte und auch über die anschließende, schwierige Geburt habe ich hier schon einmal gebloggt. Ins Elternsein haben wir nach und nach hineingefunden und auch wenn in der Anfangszeit mal Zweifel auftauchten, haben wir das alles ganz gut hinbekommen. Ab und an kam dann die Frage (zunächst von anderen), ob wir denn noch ein weiteres Kind haben möchten. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr genau, was ich darauf antwortete, aber ich erinnere mich sehr wohl daran, was ich dachte: „Auf keinen Fall, diese Tortur tue ich mir nicht noch einmal an!“
Doch mit der Zeit wurde auch bei mir der Wunsch nach einem weiteren Baby größer, ich wurde auch recht schnell schwanger, doch die Schwangerschaft endete leider bereits in der elften Woche. Es war Hochsommer, als ich mich im Krankenhaus zur Ausschabung einfand, eine wehenauslösende Tablette bekam, die gar nichts auslöste, und mich irgendwo in den Katakomben des Krankenhauses fragte, ob das jetzt alles wirklich so sein müsse. (Erst später habe ich erfahren, dass das NICHT unbedingt so hätte laufen müssen.) Ich fühlte mich furchtbar davor und furchtbar danach, aber ich hatte mich verabschiedet und wollte einen Schlussstrich ziehen, denn bei aller Traurigkeit ahnte ich schon damals, dass wir es weiterhin versuchen würden.
Ich brauche eine Hebamme!
Und so war es dann auch! Als ich zum dritten Mal schwanger wurde, hatte ich beschlossen, dass ich jetzt mal was ändern muss, denn ich hatte mich etwas eingelesen und erst jetzt war mir so wirklich klar geworden, dass ich die Vorsorge nicht unbedingt (allein) bei meiner Gynäkologin machen müsste, die ich nach der Fehlgeburt eh gewechselt hatte, da ich ihren Umgang damit (und mit mir) einfach nur vollkommen routiniert und verdammt unsensibel erlebt habe.
Ich durchforstete das Internet und fand eine Hebammenpraxis, die mich sofort ansprach. Ich telefonierte mir die Finger wund, erreichte aber erst nach ein paar Tagen eine der Hebammen, die mir sagte, dass sie komplett voll sei, und dass ich mir da lieber keine Hoffnung machen solle. Sie gab mir die Nummer ihrer Kollegin, aber auch die hatte leider keine Zeit, aber ich telefonierte und telefonierte weiter und dann hatte ich Glück: Eine der Hebammen rief mich zurück, denn bei ihr war eine Frau abgesprungen und somit konnte ich diesen Platz einnehmen. Unsere Telefonverbindung ruckelte ein wenig, sodass ich sie kaum verstand, unser erstes Treffen wurde dann mehrfach verschoben, ich war irgendwie genervt, hätte schon fast aufgegeben und wäre dann wohl immer tiefer in irgendwelchen Internetforen abgetaucht, denn ich hatte so viele Fragen!
Liebe auf den ersten Blick!
Aber dann trafen wir uns und es war Liebe auf den ersten Blick! Da war eine Frau, die sich wirklich für mich und mein Baby interessierte. Eine Frau, die mir auf all meine Fragen geduldig antwortete und mit der ich über all das, was schon seit Jahren raus wollte, sprechen konnte, denn als sie mich nach meiner ersten Geburtserfahrung fragte, brachen die Dämme und ich erinnerte und erzählte, woran ich lange Zeit kaum denken konnte.
Die Begleitung durch meine Hebamme war für mich wirklich genau die Art von Veränderung, die ich brauchte, um mich, meine Schwangerschaft und all das, was kommen würde, besser verstehen zu können, denn ein Verständnis der Vorgänge in mir und um mich herum war für mich der Schlüssel, um mich schwanger tatsächlich wohl fühlen zu können. Ich entschied mich für eine 50:50 Betreuung durch Hebamme und neue Gynäkologin.
Anders mit mir selbst umgehen
Zudem hatte ich mir fest vorgenommen, dass ich in dieser Schwangerschaft auch mit mir selbst anders umgehen würde, denn beim ersten Mal hatte ich ja gut 30 Kilo zugenommen, ständig starke Rückenschmerzen und war insgesamt einfach überhaupt nicht mehr fit. Das sollte sich jetzt unbedingt ändern, denn trotz des Kaiserschnittes beim ersten Mal, wünschte ich mir nun eine selbstbestimmte Geburt im Hebammenkreißsaal und ich hatte nicht vor, dort hineinzukriechen, sondern wollte fit, beweglich und halbwegs ausgeruht in die Geburt gehen können. Das Tolle war nämlich, dass meine Hebamme eine Beleghebamme war (und ist), sodass sie auch bei der Geburt dabei sein konnte und das gab mir eine unheimlich wertvolle Sicherheit!
Yoga, lange Spaziergänge und ab ins Wasser
Ich machte jeden Tag Schwangerschaftsyoga (mit einer DVD vor dem Fernseher), ging ganz oft spazieren und mehrmals wöchentlich schwimmen. Letzteres war wirklich toll, denn im Wasser fühlte ich mich so leicht und immer auch ganz besonders voller Vorfreude auf unser zweites Kind. Geboren werden sollte sie eigentlich Anfang Januar, doch schon Mitte Dezember hatte ich immer wieder das Gefühl, dass es nun nicht mehr lange dauern würde. Aber ich wusste ja gar nicht wirklich, wie sich das anfühlte, wenn eine Geburt ‚von allein‘ einsetzte, kannte die Vorzeichen also nur aus der Theorie, und so ging alles erstmal seinen gewohnten Gang. Weihnachten rückte näher, ich schwamm weniger, aber Yoga und die Spaziergänge begleiteten mich weiterhin. Mein großer Sohn wurde auch immer aufgeregter, denn ihm war klar, dass sich bei uns bald etwas enorm verändern würde, aber natürlich war ihm mit vier Jahren noch nicht ganz bewusst, was da auf uns alle zukam.
Am 22. Dezember 2015 besuchten wir Drei gemeinsam den Bochumer Weihnachtsmarkt und als ich da so mit meiner Bratwurst in der Hand dem fliegenden Weihnachtsmann zuschaute, spürte ich plötzlich einen Stich im Bauch, aus dem ein Ziehen wurde, und seltsamerweise fühlte ich etwas anderes nicht: ich hatte keinerlei Panik und keine Angst, denn mir war einfach klar, dass es jetzt bald soweit sein würde. Und tatsächlich! Noch in der darauffolgenden Nacht bekam ich regelmäßige Wehen und war damit schon ganz schön gefordert, denn das, was mein Körper da jetzt gerade machte, kannte ich auf diese Weise noch nicht. Bisher war Geburt für mich ein Vorgang gewesen, bei dem ich von Anfang an, an zig Geräten hing, mich kaum noch bewegen konnte und mir das OP-Hemd gern vom Leib gerissen hätte.
Jetzt aber schnell…
Jetzt lief ich durch unsere kleine Küche, veratmete und war irre dankbar, als um 3 Uhr nachts meine Hebamme vor der Tür stand. Sie untersuchte mich und schnell war klar, dass wir uns jetzt mal auf den Weg machen sollten, denn bis zum Krankenhaus war es eine gute halbe Stunde Fahrt. Als wir dort ankamen, ging es nicht ganz so schnell, wie zeitweise gedacht, aber als der Morgen anbrach, hielt ich meine Tochter in den Händen, es war der 23.te Dezember und ich hätte glücklicher und stolzer nicht sein können. Denn da war nicht ‚nur‘ dieses wunderhübsche kleine Menschlein, sondern auch ich war diesmal ganz ich selbst geblieben, hatte, gemeinsam mit einer tollen Hebamme und meinem Mann an meiner Seite, ordentlich was geleistet und habe mich dabei nicht einen Moment lang entmachtet, übergangen oder gar würdelos gefühlt. Ich hatte ein Kind geboren und das war nicht weniger als das Größte!
P.S: Bitte versteht diesen sehr persönlichen Erfahrungsbericht nicht als Glorifizierung einer ‚natürlichen‘ Geburt, denn nichts würde mir ferner liegen! Dies ist nur meine Sicht auf ein Ereignis, das mich unheimlich geprägt hat, und ich bin mir sicher, dass ich auch einen Kaiserschnitt mit diesem wunderbaren Team als gute Geburt empfunden hätte!