Bloggerinnen und Blogger sind Leute, die keine richtigen Jobs haben und den ganzen Tag mit einer Spiegelreflexkamera Konsum fotografieren, die grundsätzlich von Cafés aus ‚arbeiten‘ und sich im schlimmsten Fall beim Schminken oder beim Auspacken von Paketen filmen. So dachte ich – damals recht frisch promovierte Literaturwissenschaftlerin, die ‚ernsthafte‘ Texte las und schrieb – noch so vor drei bis fünf Jahren über all die Menschen, die im Internet Worte, Bilder und Filme veröffentlichen. Dass ich dabei einfach alles vermischte und die verschiedensten medialen Ausdrucks- und Gestaltungsmöglichkeiten durcheinanderwarf, ja dass ich schlichtweg keine Ahnung hatte, weil ich einfach keine Blogs las, das muss ich fast nicht eigens erwähnen, oder?
Doch dann war ich mit meinem zweiten Kind schwanger und beschäftigte mich sehr eingehend mit dem Thema Geburt. Da dauerte es nicht lange und ich las regelmäßig bei Susanne Mierau von Geborgen Wachsen, denn die Art, wie sie ihre Artikel über Schwangerschaft, Geburt, Kindheit und die Bindung zum Kind schrieb, faszinierten mich und bescherten mir neue Sichtweisen auf das, was ich gerade erlebte. Von dort aus war es nicht weit zu Anja und Christian von Von guten Eltern und hier interessierte mich nicht nur die Elternperspektive der beiden, sondern natürlich auch, dass Anja als Hebamme wichtiges Fachwissen vermitteln konnte und ich las bestimmt jeden der dort veröffentlichten Geburtsberichte. Überhaupt, Geburtsberichte! Ich las, wie Claudi von Was für mich zum dritten Mal und dann später auch zum vierten Mal Mutter eines Sohnes wurde und ich war für viele ihrer Worte wirklich dankbar – entweder, weil sie auszudrücken vermochten, was ich nicht recht zu sagen wusste oder weil sie haargenau mit meinen Gedanken und Erfahrungen übereinstimmten. Ich las Rezepte bei Carola von Frische Brise, nein, ich las und lese überhaupt alles von Frische Brise, denn ihren herrlich unaufgeregten Blog liebe ich mit am meisten. Aber die Rezepte, Reiseberichte und DIYs von Tanja von Zuckersüße Äpfel sind ebenfalls großartig und gemeinsam mit Alu und Konsti von Grossekoepfe begebe ich mich herzlich gerne nach Berlin.
Persönlicher Schreibrahmen
Ich war also nicht bloß zu einer Gelegenheitsleserin von Blogs geworden, sondern lese sehr regelmäßig, ja mittlerweile täglich bzw. immer dann, wenn es etwas Neues gibt, denn ich wurde von der Vielfalt der mich interessierenden Inhalte nicht nur überrascht, sondern vollauf überzeugt und sowas von eines Besseren belehrt! Was auf den hier genannten Blogs – und natürlich auf vielen weiteren, die ich auch noch lese, hier aber nicht alle nennen kann, da es nur um meine ‚Einstiegsdrogen‘ geht – passiert, das ist Wissensvermittlung, ist politische Diskussion und das sind supergut geschriebene Texte aus und mit dem Alltag von Menschen, die sich online ihren eigenen ‚Schreibrahmen‘ geschaffen haben, den sie mit viel Liebe, aber auch Mühe und Arbeit gestalten.
Und tatsächlich: Ich als geborene Misanthropin und erstmal-dagegen-Seele muss Folgendes gestehen: Ich finde mich wieder, fühle mich angesprochen, manchmal unbekannterweise sogar verstanden und habe tatsächlich gegenüber meinen Kindern und mir selbst einige Dinge geändert, weil ich lese, was andere wissen, erlebt und erprobt haben. Alu schrieb einmal (frei wiedergegeben), dass sie als Bloggerin eine Chronistin ihrer Zeit sei und das fand ich nicht nur treffend, sondern auch sehr schön formuliert und der Gedanke wuchs weiter, dass ich das auch gern tun würde. Nicht das mit dem Päckchen auspacken und das mit dem Schminken, aber das mit dem Aufschreiben und dem Dokumentieren und besonders das mit den Momenten, die sich digital und im Austausch mit anderen doch noch einmal auf eine ganz andere Weise festhalten lassen. Und natürlich wollte ich dabei auch über Bücher schreiben, denn die gehören für mich immer dazu und die Liste der großartigen Buchblogs ist sowieso nochmal ein ganz eigenes Thema, aber diesen Text kann ich trotzdem nicht ohne die Nennung meiner absoluten Favoriten beenden, denn das sind der Nacht und Tag Blog von Nicole Seifert und der Kaffeehaussitzer Uwe Kalkowski.
Ich hatte null Ahnung von WordPress und noch weniger von Social Media, denn bis letzten Winter war ich Besitzerin eines alten Nokia Telefons und habe das eingesaugt sein ins Smartphone ziemlich verachtet… (Das tue ich übrigens immer noch in manchen Situationen, allerdings bin nun meist ich selbst es, die sich kritisieren muss.) Und nun gibt es den Blog seit zehn Monaten, es macht mir weiterhin riesengroßen Spaß und ich hoffe sehr, dass books and babies weiterwachsen wird und ihr Lust habt davon zu lesen, was wir über Bücher denken, wie uns so manches Ausflugs- oder Urlaubsziel gefällt, aber auch wie wir so ganz alltäglich durch den Tag schaukeln.
Eure Simone
Kannst du mir erklären, warum du möchtest, dass dein Blog „wächst“? Der Wunsch begegnet mir häufiger auf verschiedenen Plattformen und ich Frage mich, wie er berührt z ist und ob er nicht Maßstäbe impliziert, die letztlich auch sehr ungünstige Entwicklungen hervorbringen (können). Da du anders als die kapitalistische Wirtschaft nicht permanent Kredite zu bedienen hast, kannst du doch prinzipiell auch ohne Wachstum existieren
Hi, na klar kann ich das: Weil es ein total schönes Gefühl ist, wenn die geschriebenen Texte auch gelesen werden! Sonst könnte ich es ja auch beim privaten Tagebuch belassen, oder?
Liebe Grüße, Simone
Das verstehe ich. Aber du könntest doch auch für 30 intensive Leserinnen und Leser schreiben. Warum ist mehr erstrebenswert?
Du hast im Grunde wirklich recht, aber Hand aufs Herz: Vorträge vor 15 interessierten Menschen sind toll, aber vor 300 ist auch nicht schlecht, oder? Und ähnlich geht es mir mit dem Eindruck, ‚gelesen zu werden‘. Lg, simone
Wenn 285 Leute danach gehen und nichts mitnehmen, bliebe für mich nur der trügerische Eindruck, vor vielen Menschen gesprochen zu haben. Ich bin nicht sicher, ob mir das lieber wäre. Man sagt mir nach, ich sei eine Rampensau. Das nehme ich auch für mich an, aber nur insofern als ich gerne und (inzwischen) ohne große Nervösität auf einer Rampe sprechen kann. Ob ich vor fünf Leuten spreche, oder vor 500 (was noch nie vorgekommen ist), war mir dabei bislang egal. Selten kommen wirklich viele Menschen zu meinen Vorträgen, was hoffentlich weniger an ihrer Qualität als an ihren Gegenständen liegt. Ich interessiere mich für etwas entlegene Dinge. Wollte ich mehr Publikum, müsste ich über breitere Themen sprechen. Aber interessieren die mich dann noch genug? Meine Frage war übrigens explizit nicht als Vorwurf gemeint, denn ein großes Publikum zu suchen, ist ja völlig legitim. Mich interessiert lediglich, was dazu motiviert. 🙂
Das weiß ich doch, Christian. Und Du kehrst Dein Licht natürlich unter den berühmten Scheffel, denn Du hast mittlerweile bestimmt nicht wenig Leute, die Dir sehr gern zuhören und so abseitig sind Comics ja eigentlich nicht 🙂 Ich weiß, ich weiß, ich verzerre den Gegenstand total… Ich spreche übrigens am allerliebsten vor einer anonymen ‚Masse‘, am schlimmsten ist der kleine Rahmen, besonders wenn man alle Anwesenden kennt, das finde ich furchtbar. Und so ist das übrigens auch auf dem Blog – LeserInnen, die ich kenne, sind was ganz anderes, als (bisher) Unbekannte und immer mein gedanklicher Prüfstein.
Ach wie schön, ich liebe die Vielfalt. LG alu
Danke Dir, liebe Alu. Lg, Simone
Liebe Simone,
vielen herzlichen Dank, ich fühle mich sehr geehrt.
Liebe Grüße aus dem virtuellen Kaffeehaus
Uwe
Lieber Uwe, herzlichen Dank – ich freu mich sehr, dass Du hier vorbeigeschaut hast. Viele Grüße, Simone