(Werbung, da Rezensionsexemplar)
Zsuzsa Bánks „Sterben im Sommer“ ist ein Buch über den Tod ihres Vaters László im Jahr 2018, über die Zeit davor und danach, und es ist ein Buch über das Sterben, das Abschiednehmen und die Trauer, wie ich noch keins zuvor gelesen habe. Mit Bánks unverwechselbarem Schreibstil verbinde ich Schilderungen von endlos leichten Tagen, von Kindheit und der Nähe zwischen Menschen, die mich jedes Mal aufs Neue bewegen. Die Bücher von Zsuzsa Bánk laden ihre Leserinnen und Leser dazu ein, tatsächlich dabei zu sein, an einer langen Tafel voller Menschen Platz zu nehmen und ihren Geschichten zuzuhören, von denen noch die scheinbar kleinste das Erzählen allemal wert ist. Doch Zsuzsa Bánks Texte sind nicht nur voller Schönheit, Glück und Zeitvergessenheit, sondern auch gefüllt mit Melancholie und vorweggenommener Trauer, da wir alle, die wir dort sitzen, wissen, was uns am Ende ereilt.
Bánk berichtet von Krankenhausodysseen, von Tagen voller Hoffnung, der Plötzlichkeit endgültiger Ereignisse und von der großen Trauer danach. Es ist ein überaus persönliches Erinnerungsbuch, das uns einen Menschen näherbringt, der unschätzbar wichtig für die Autorin gewesen ist (und es fühlt sich falsch an, hier eine Vergangenheitsform zu bemühen), und dem sie mit diesem Buch die größte Ehrerbietung angedeihen lässt. Aber es ist auch ein Buch über Krankheiten, über das Sterben und die Trauer an sich geworden, ein Buch, das ich hernehmen und lesen kann und das auch mit meinem Vater und mit meiner Trauer zu tun hat.
An der Pforte der Intensivstation
Es ist Bánk gelungen die Biographie eines schier unendlich langen Sommers mit der ihres Vaters zu verknüpfen, den sie sich am liebsten schwimmend im ungarischen See vorstellt, an einem dieser Abende, an denen das Licht nur ganz langsam verschwindet, beinahe so, als wollte es den Tag nicht gehen lassen. Während „Sterben im Sommer“ von allzu grell beleuchteten Fluren, von furchtbar kalt vermittelten Diagnosen und von der Angst vor dem einen Anruf erzählt, bin auch ich plötzlich wieder da: Gemeinsam mit meiner Mutter und meinen Geschwistern stehe ich vor der Pforte der Intensivstation. Geläutet haben wir schon vor einer Ewigkeit und haben große Angst vor dem, was wir gleich sehen und erfahren werden. Wie geht es ihm heute, ist er wach? Können wir mit seiner Ärztin sprechen und hat sie vielleicht Zeit für ein paar ehrliche Worte, die über das hinausgehen, was sie in Eile sagen muss, um uns in ruhig abwartender Hoffnung zu halten, aber gleichzeitig wissen zu lassen, dass es in der nächsten Nacht vorbei sein kann?
Ich denke zurück an die beinah durchsichtig dünnen Plastiktüten, in denen sein Schlafanzug lag, und an die goldene Uhr, die meine Mutter mitnahm, weil er das Zifferblatt sowieso nicht mehr lesen konnte und messbare Zeit längst keine Rolle mehr spielte. Ich begleite Zsuzsa Bánk auf ihrem schwierigsten Gang und spüre die Angst vor der Beerdigung, den unerwarteten Trost manch kleiner Geste und ich liebe dieses Buch, das mir all die vergessenen Details zurückbringt, von denen ich geschworen hätte, sie jederzeit zu erinnern.
„Sterben im Sommer“ ist ein Buch von so eindringlicher Kraft und Nähe zu dem, wovon es erzählt, dass ich es niemals zwischendurch oder unterwegs hätte lesen können, denn von der ersten Seite an wusste ich, dass es mich mitnehmen würde, mir war nur noch nicht ganz klar wohin. Eine große Leseempfehlung ist es in jedem Fall!
Für Leserinnen und Leser von: Mariana Leky, Joan Didion und Elizabeth Strout
Zsuzsa Bánk: Sterben im Sommer. S. Fischer 2020. ISBN: 978-3-10-397031-9, 240 Seiten. Preis: 22,00 Euro.
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